Skandal in Rohr!

Liebe Rohrer Kirchengemeinde,

lange Zeit habe ich nichts mehr von mir hören lassen, aber jetzt bin ich vor ein paar Tagen inständig gebeten worden den Gerüchten um einen Fahrraddieb in unserem Dorf kriminalistisch nachzugehen. Das war keine einfache Aufgabe für mich, obwohl Ratsch und Tratsch ja bekanntermaßen mein Fachgebiet sind.

Und so habe ich mich von verschiedensten Freundinnen und Freunden gerne informieren lassen und kann Euch Folgendes berichten:

So kam mir zu Ohren, dass unser Pfarrer Markus Wandtke angeblich ein Fahrrad vor der Akropolis entwendet habe, um es ukrainischen Flüchtlingen zu geben.

Er soll dabei aus einem Fenster heraus beobachtet worden sein, wie er fachmännisch das Schloss geknackt hat und sich dann anschließend geweigert habe, das kaputte Schloss zu bezahlen.

Deswegen hätten die Kärwamadli und -burschen beschlossen, den Gottesdienstbesuch an der Kärwa zu boykottieren, weil das Fahrrad, das unser Pfarrer angeblich mitgehen hat lassen, einem Kärwamadla gehört.

Soweit die Gerüchte, tatsächlich soll sich die Geschichte aber etwas anders zugetragen haben:

Vor der Gaststätte Akropolis stand ein Fahrrad über Monate, auch im Winter, angeschlossen am Fahrradständer.

Als die Flüchtlingswelle losbrach, machte sich Pfarrer Markus Wandtke auf zur Recherche nach dem Besitzer des Drahtesels. Zunächst wurde der Eigentümer des Gebäudekomplexes Akropolis befragt, welcher zu verstehen gab, dass das Fahrrad bereits seit der letzten Kärwa, zu diesem Zeitpunkt mindestens 19 Monate her, nicht bewegt worden sei. Außerdem stünde es ihm sowieso im Weg beim Räumen und Kehren.

In der Poststelle gab man auf Nachfrage das Gleiche an: es steht Jahr und Tag unverändert und noch dazu im Weg herum, weil jedes Mal der Transporter piepse beim rückwärts Hereinfahren. Nie habe man gesehen, dass das Rad bewegt wurde.

Bei der Polizei nachgefragt, wie damit umzugehen sei, wurde folgendes Vorgehen vorgeschlagen: Bei der politischen Gemeinde als Fundsache melden und absprechen, ob man das Fahrrad in Gewahrsam nehmen solle oder ob die Gemeinde dies übernehmen wolle.

Die wiederum hatte vorgeschlagen, dass das Fahrrad vom Pfarrer in Gewahrsam genommen werden könne, wenn sich jemand meldet, würde es dem Besitzer halt zurückgegeben.

Gesagt – getan! Das Schloss wurde geöffnet und das Fahrrad hergerichtet: der aufgequollene, durchnässte Sattel trockengelegt, die Reifen aufgepumpt, die Kette gereinigt und geölt und die Gangschaltung und Bremse überprüft.

Am Ende wurde eine Probefahrt gemacht, um zu prüfen, ob alles verkehrstüchtig funktioniert. Just bei dieser Probefahrt kam es zum Aufeinandertreffen der besonderen Art: Testfahrer Pfarrer Wandtke begegnet einer Angehörigen der Konfirmation vom Wochenende zuvor vor der Villa Stern und wechselt mit ihr ein paar Worte. Dabei fällt ihr Blick aufs Fahrrad und sie erkennt dieses als das Rad ihrer Tochter wieder. Nach einer ausführlichen Erklärung des Sachverhaltes wurde das Fahrrad unmittelbar in den Besitz der Tochter zurückgegeben. Auch der Preis für das Schloss wurde später beglichen.

Also – das ist doch eigentlich eine schöne Geschichte mit Happy-End – der Drahtesel kehrt frisch und munter wieder in den heimischen Stall zurück!

Es grüßt Euch Eure Schwester Babett - wir sehen uns auf der Rohrer Kärwa!

 

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